Ausgabe Nr. 2 des Mandantenrundbriefs befasste sich u. a. mit der Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen der Auftraggeber bzw. Besteller Mängelansprüche aus § 634 BGB schon vor Abnahme des Werks geltend machen kann.

Der weitgehenden Auffassung des in dem Zusammenhang zitierten OLG Schleswig erteilte der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 19.01.2017, Az.: VII ZR 193/15, nun weitgehend eine klare Absage und hob das Urteil des OLG daher zum Teil auf.

Einig sind sich BGH und OLG noch im Hinblick auf den Grundsatz, nach dem der Besteller Mängelrechte nach § 634 BGB erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen kann. Zur Begründung führte der BGH u. a. aus, grundsätzlich beurteilt sich erst im Zeitpunkt der Abnahme, ob ein Werk mangelfrei ist. Bis dahin – so der BGH – „kann der Unternehmer grundsätzlich frei wählen, wie er den Anspruch des Bestellers auf mangelfreie Herstellung aus § 631 Abs. 1 BGB erfüllt. Könnte der Besteller bereits während der Herstellungsphase Mängelrechte aus § 634 BGB geltend machen, kann das mit einem Eingriff in dieses Recht des Unternehmers verbunden sein“ (a. a. O., Rn. 26).

Hiervon wollte das OLG weiter reichende Ausnahmen zulassen, dem der BGH nun einen Riegel vorschob. Zwar nimmt der ebenfalls mögliche Ausnahmen an, schränkt deren Anwendungsbereich aber stark ein. Danach kann der Besteller ausnahmsweise

„berechtigt sein, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme geltend zu machen, wenn er nicht mehr die (Nach-)Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Allein das Verlangen eines Vorschusses für die Beseitigung eines Mangels im Wege der Selbstvornahme genügt dafür nicht. In diesem Fall entsteht ein Abrechnungsverhältnis dagegen, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen.“ (BGH, Urteil vom 19. Januar 2017, Az.: VII ZR 193/15)

Das gilt – so der BGH – in Fällen, in denen „der Besteller nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Macht der Besteller gegenüber dem Unternehmer nur noch Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes geltend oder erklärt er die Minderung des Werklohns, so findet nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum alten Schuldrecht eine Abrechnung der beiderseitigen Ansprüche statt“ (Rn. 38).

Verlangt der Besteller aber vom Unternehmer z. B. einen Kostenvorschuss nach § 637 Abs. 3 BGB, um vorhandene Mängel selbst, aber auf Kosten des Unternehmers, beseitigen zu können, entsteht dadurch nicht automatisch das für voranstehenden Ausnahmefall benötigte Abrechnungsverhältnis.

Aber auch hier gilt: Keine Regel ohne Ausnahme. Kann der Besteller den (Nach-)Erfüllungsanspruch aus anderen Gründen nicht mehr mit Erfolg geltend machen, kann seine Forderung, ihm einen Vorschuss für die zur Beseitigung des Mangels erforderlichen Aufwendungen zu zahlen, ausnahmsweise zu einem Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis führen.

Als Beispiel für eine entsprechende Ausnahmesituation führt der BGH eine Konstellation an, in der ein

„Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen, also endgültig und ernsthaft eine (Nach-)Erfüllung durch ihn ablehnt, selbst für den Fall, dass die Selbstvornahme nicht zu einer mangelfreien Herstellung des Werks führt. In dieser Konstellation kann der Besteller nicht mehr zum (Nach-)Erfüllungsanspruch gegen den Unternehmer zurückkehren“ (Rn. 41).

Damit – so das Gericht – sind die verbleibenden Ansprüche des Bestellers ausschließlich auf Geld gerichtet, wodurch das benötigte Abrechnungs- und Abwicklungsverhältnis entsteht, „in dessen Rahmen die Rechte aus § 634 Nr. 2 bis 4 BGB ohne Abnahme geltend gemacht werden können“ (Rn. 42) (vgl. BGH, Urteile vom 19. Januar 2017, Az.: VII ZR 235/15 und VII ZR 301/13).

Konsequenzen für die Praxis

Mag das – tatsächlich sehr lesenswerte – Urteil des BGH auch dogmatisch korrekter sein als die vorangegangene Entscheidung des OLG, so war die definitiv lebensnäher und für betroffene Bauherren günstiger. Nach Klärung bzw. Erledigung des bisherigen Meinungsstreits durch den BGH können sie nun nur noch dann Mängelansprüche geltend machen, z. B. einen Kostenvorschuss nach §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB verlangen, wenn sie das Werk zuvor abgenommen haben.

In der Praxis führt das mitunter zu der vom OLG Hamm zutreffend als „sinnwidrig“ bezeichneten Situation, in der ein Bauherr ein mangelhaftes Werk sozusagen „sehenden Auges“ gleichwohl zunächst abnehmen muss, um sodann die Mängelrechte aus §§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB geltend machen zu können (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 19.08.2014, Az.: 24 U 41/14) – und das selbst dann, wenn „offensichtlich ist, dass der Unternehmer die Mängel nicht mehr wird beseitigen können bzw. nicht gewillt ist, die notwendigen Mängelbeseitigungsmaßnahmen zu ergreifen“ (so noch das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht, Urteil vom 16. Juli 2015, Az.: 7 U 124/14).

Hiervon soll nach Auffassung des BGH ungeachtet dessen nur noch in den Ausnahmefällen abgewichen werden können, in denen es Bauherren gelingt, das ausnahmsweise genügende Abrechnungs-  und Abwicklungsverhältnis entstehen zu lassen.

Doch wann ist das der Fall? Das bloße Verlangen eines Kostenvorschusses reicht – so der BGH – noch nicht aus. Vielmehr muss der Bauherr „ausdrücklich oder konkludent“ (also durch schlüssiges Verhalten) zum Ausdruck gebracht haben, „unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen“. Der Bauherr muss also ernsthaft und endgültig jede (weitere) (Nach-)Erfüllung durch den Unternehmer ablehnen. Nur dann kann er nicht mehr zum (Nach-)Erfüllungsanspruch gegen den Unternehmer zurückkehren (s. o.) und es entsteht das Abrechnungs-  und Abwicklungsverhältnis.

Für Bauherren folgt daraus, zuerst gründlich prüfen zu lassen, ob die Voraussetzungen für dieses Verhältnis auch in ihrem Fall bereits vorliegen oder wie sie – wenn das noch nicht der Fall ist – geschaffen werden können. Andernfalls droht die Gefahr, z. B. vorschnell zur Selbstvornahme zu greifen, dem Unternehmer dadurch dessen Recht zur (Nach-)Erfüllung abzuschneiden und im Ergebnis mit den Kosten der Selbstvornahme belastet zu bleiben.

Dr. jur. Christian Behrens LL.M.

Dr. jur. Christian Behrens LL.M.

Rechtsanwalt und Notar

  • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
  • Notar mit dem Amtssitz in Uelzen
  • Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg
  • Mitglied der ARGE Baurecht im DAV und der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V.
  • Ehrenamtlicher Richter des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs (AGH) in Celle

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