In seinem vielbeachteten und ausführlich diskutierten Urteil vom 22.02.2018, Az.: VII ZR 46/17, gab der Bundesgerichtshof (BGH) seine bisherige, über lange Jahre gefestigte Rechtsprechung zum Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten ausdrücklich auf. Diese inzwischen obsolete Rechtsprechung soll daher nachfolgend nicht dargestellt werden; bei Interesse sei auf das sehr lesenswerte, weit über den Einzelfall hinausgehende Urteil des BGH verwiesen. Stattdessen behandelt der ausführliche Beitrag ausschließlich die neuen, vom BGH aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten:

Tipp: Bevor „tl;dr“ (= too long; didn’t read) gilt, mag der geneigte Leser auch gleich zur Zusammenfassung („Konsequenzen für die Praxis“) springen.

Problemstellung

Erfüllt ein (Bau-)Unternehmer nur mangelhaft, konnte der Auftraggeber, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gegen den Unternehmer gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB seinen Schaden bislang nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen. Dabei war unerheblich, ob der gezahlte Betrag tatsächlich zur Beseitigung der Mängel verwendet wurde, denn der Schädiger – so der BGH bislang – habe keinen Anspruch darauf, dass der Geschädigte das ihm als Schadensersatz gezahlte Geld zur Beseitigung des Schadens verwende (so bereits der BGH, Urteil vom 24. Mai 1973, Az.: VII ZR 92/71, BGHZ 61, 28; BGH, Urteil vom 28. Juni 2007, Az.: VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83).

Diese gefestigte Rechtsprechung gab der BGH nun ausdrücklich auf.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie der Besteller, der sich dazu entscheidet, ein mangelhaftes Werk zu behalten, ohne die Mängel zu beseitigen, den ihm entstandenen Schaden bemessen kann (I.). Darüber hinaus befasste sich der BGH aber auch mit der Frage nach den Optionen eines Bestellers, der die Mängel im Wege der Selbstvornahme (evtl. durch einen Dritten) beseitigen (lassen) möchte (II.).

I. Möglichkeiten der Schadensbemessung bei mangelhaftem Werk

Der Besteller kann von dem nur mangelhaft erfüllenden Unternehmer entweder gemäß § 13 Abs. 7 Nr. 3 VOB/B (im VOB/B-Vertrag), ansonsten (BGB-Vertrag) gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen.

Wie der Schaden allerdings zu bemessen ist, regeln weder § 634 Nr. 4 BGB noch die §§ 280, 281 BGB. Aus § 281 Abs. 4 BGB ergibt sich lediglich die Unmöglichkeit der Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB in der Form, dass der Mangel beseitigt wird (Nacherfüllung), was auch für den VOB/B-Vertrag gilt.

Hinweis: Keine Rückkehr zum (Nach-)Erfüllungsanspruch

Verlangt der Besteller Schadensersatz statt (!) der Leistung, schließt § 281 Abs. 4 BGB eine spätere Rückkehr zum Nacherfüllungsanspruch aus:

„(4) Der Anspruch auf die Leistung ist ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.“

Schadensersatz statt der Leistung zu verlangen  will also gut überlegt sein! Weitere Optionen für den Fall der Beseitigung der Mängel behandelt der Beitrag weiter unten (II.).

Entscheidet sich der Besteller dafür, die Mängel nicht zu beseitigen, muss der bereits durch den Mangel des Werks selbst entstandene Vermögensschaden festgestellt und in Geld bemessen werden. Das ist durch eine Schätzung des Schadens (im Prozess nach § 287 ZPO) möglich, die sich wiederum am Leistungsinteresse des Bestellers zu orientieren hat, da der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB an die Stelle des Anspruchs auf Leistung tritt und ihn ersetzt (so der BGH, a. a. O., Rn. 24). Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Schätzung ist die letzte mündliche Verhandlung.

Konkret zeigt der BGH in seinem Urteil verschiedene Möglichkeiten auf:

1. Vermögensbilanz (Schadensermittlung in Anlehnung an die Minderung)

„Der Besteller hat die Möglichkeit, den Schaden nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen in der Weise zu bemessen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt. Diese Art der Schadensbemessung ist ausschließlich auf Ausgleich des Wertunterschieds gerichtet.“ (BGH, a. a. O., Rn. 27)

In der Praxis kommt das z. B. in Betracht, wenn der Besteller die Sache zwischenzeitlich verkauft hat, ohne die Mängel zuvor beseitigen zu lassen. In derartigen Fällen kann er

„den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen. Der Mindererlös wird typischerweise anhand der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der Sache ohne Mangel und dem gezahlten Kaufpreis ermittelt werden können. Da der Kaufpreis den tatsächlichen Wert der Sache indiziert, entspricht der so ermittelte Mindererlös im Regelfall dem Minderwert der betroffenen Sache.“ (BGH, a. a. O., Rn. 28)

2. Vergleich des mangelhaften mit dem mangelfreien Werk

Das Ermitteln des Schadens im Wege der Vermögensbilanz (s. o.) kann im Einzelfall kompliziert und nicht zuletzt teuer sein, müssen z. B. erst noch Sachverständigengutachten eingeholt werden, um einen objektiven Marktwert zu ermitteln usw. Der BGH zeigt daher eine alternative, im Ergebnis einfachere Möglichkeit zum Bemessen des Vermögensschadens auf:

Der Besteller, der den Mangel nicht beseitigen lässt, kann

„sich auf die Betrachtung des mangelhaften Werks selbst im Vergleich zu dem geschuldeten (also mangelfreien) Werk beschränken und aus einer Störung des werkvertraglichen Äquivalenzverhältnisses einen Anspruch ableiten.“ (BGH, a. a. O., Rn. 38)

Dabei sind die Feststellung eines hierin liegenden Vermögensschadens und seine Bemessung aufgrund einer Wertung vorzunehmen, die sich am Leistungsinteresse des Bestellers zu orientieren hat.

Wie das im Einzelnen zu erfolgen hat, legt der BGH ausführlich dar:

„Aus § 634 BGB folgt, dass sich der Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses des Bestellers, der das mangelhafte Werk behalten will, daran orientiert, ob er die Mängel beseitigen lässt oder nicht. Sieht der Besteller von der Mängelbeseitigung ab, kann er nach § 634 Nr. 3, § 638 BGB als Ausgleich für das verletzte Leistungsinteresse die Vergütung mindern. Diese Wertungen sind bei der Bemessung des Schadens im Rahmen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB zu berücksichtigen.

[…]

Der Schaden kann deshalb in Anlehnung an § 634 Nr. 3, § 638 BGB in der Weise bemessen werden, dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung der Minderwert des Werks wegen des (nicht beseitigten) Mangels geschätzt wird. Maßstab ist danach die durch den Mangel des Werks erfolgte Störung des Äquivalenzverhältnisses. Die von den Parteien durch den Werkvertrag zum Ausdruck gebrachte Bewertung des (mangelfreien) Werks in Höhe der Vergütung rechtfertigt es, bereits das Ausbleiben der vollständigen (mangelfreien) Gegenleistung mit der Folge der Störung des Äquivalenzverhältnisses – unabhängig von einer objektivierten Bewertung durch einen „Markt“ – als einen beim Besteller eingetretenen Vermögensschaden anzusehen.

Der mangelbedingte Minderwert des Werks ist danach ausgehend von der Vergütung als Maximalwert nach § 287 ZPO unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu schätzen.“ (BGH, a. a. O., Rn. 40 ff)

Dafür kommt nach der neuen Rechtsprechung des BGH ein Abzug fiktiver Mängelbeseitigungskosten nicht mehr in Betracht. Stattdessen kommt

„beispielsweise eine Schadensbemessung anhand der Vergütungsanteile in Betracht, die auf die mangelhafte Leistung entfallen. Ergeben sich die Vergütungsanteile nicht aus dem Vertrag, sind sie zu schätzen.“ (BGH, a. a. O., Rn. 42 m. w. N.)

II. Bemessung des Schadens bzw. der Kosten bei Beseitigung der Mängel

Selbst wenn der Besteller zwischenzeitlich vom Unternehmer Schadensersatz gefordert hatte, steht es ihm frei, die Mängel noch auf Kosten des Unternehmers zu beseitigen oder von einem Dritten beseitigen zu lassen:

„Lässt der Besteller die Mängelbeseitigung durchführen, sind die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten, die er bei verständiger Würdigung für erforderlich halten durfte, nicht nur gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu erstatten. Der Besteller kann in diesem Fall die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten vielmehr auch als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB ersetzt verlangen […]. Denn ihm ist in Höhe der Aufwendungen ein Vermögensschaden entstanden, den er ohne das mangelhafte Werk nicht gehabt hätte. Der Umstand, dass er die Aufwendungen freiwillig erbracht hat, steht dem nicht entgegen. Er durfte sich hierzu aufgrund des Verhaltens des Unternehmers, der die ihm vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit, sein mangelhaft abgeliefertes Werk nachzubessern (Nacherfüllung), nicht wahrgenommen hat, herausgefordert fühlen (Halfmeier, BauR 2013, 320, 323 f.). Auf den Ersatz eines geringeren Minderwerts muss er sich in diesem Fall, vorbehaltlich der Unverhältnismäßigkeit der Aufwendungen […] nicht verweisen lassen.“ (BGH, a. a. O., Rn. 46 m. w. N.)

Darüber hinaus weist der BGH ausdrücklich auf die Möglichkeit des Bestellers hin, selbst dann noch einen Kostenvorschuss gem. § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu fordern, wenn er zuvor bereits Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB verlangt hatte. Und das unter Ablehnung entgegenstehender Ansichten der Literatur, denen der BGH sich ausdrücklich mit guter Begründung nicht anschließt (vgl. z. B. Kniffka/Krause-Allenstein, Bauvertragsrecht, 2. Aufl., § 637 Rn. 10; Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 637 Rn. 1), zumal sich die in der Literatur vertretene Auffassung (danach sollen mit Verlangen von Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes neben dem Nacherfüllungsanspruch auch der Vorschussanspruch erlöschen) auch nicht auf den Willen bzw. die Begründung des Gesetzgebers stützen lässt (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 266).

Dem Vorschussverlangen des Bestellers steht – so der BGH – § 281 Abs. 4 BGB nicht entgegen, denn danach

„ist zwar der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, sobald der Besteller Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat. Der Besteller kann mithin nicht mehr Nacherfüllung gemäß § 634 Nr. 1, § 635 BGB verlangen. Die Geltendmachung eines Vorschusses ist nach dem Wortlaut dieser Vorschrift jedoch nicht ausgeschlossen.“ (BGH, a. a. O., Rn. 49)

Das Selbstvornahmerecht und der Vorschussanspruch entstehen gem. § 634 Nr. 2, § 637 BGB mit erfolglosem Ablauf der zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Frist, wenn nicht der Unternehmer die Nacherfüllung zu Recht verweigert (§ 637 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB).

Dazu nochmals ausführlich der BGH:

„[…] nach Sinn und Zweck des Gesetzes [ist es] gerechtfertigt, dem Besteller den Vorschussanspruch auch dann noch zuzubilligen, wenn er bereits Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes verlangt hat. Aus § 634 Nr. 2, § 637 BGB ergibt sich, dass der Schutz des Leistungsinteresses im Werkvertragsrecht einen Vorschussanspruch des Bestellers erfordert, um diesem Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung abzunehmen. Diese gesetzgeberische Wertung ist bei der Frage zu berücksichtigen, wie im Rahmen des Schadensersatzes ein möglichst umfassender Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses des Bestellers erreicht werden kann, der den Mangel beseitigen will. Denn der Besteller soll durch die Wahl des Schadensersatzanspruchs nicht schlechter gestellt werden […]. Lässt der Besteller die Mängel beseitigen, umfasst der Schadensersatzanspruch – wie ausgeführt – die Erstattung der mit Durchführung der Mängelbeseitigung angefallenen Kosten. Da dem Besteller nach der gesetzgeberischen Wertung auch die Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung abgenommen werden sollen, ist ein umfassender Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses nur dann gewährleistet, wenn er – auch nach Wahl des kleinen Schadensersatzes – weiterhin Vorschuss verlangen kann, allerdings ohne die Möglichkeit, wieder auf den Nacherfüllungsanspruch zurückzukommen, § 281 Abs. 4 BGB.“ (BGH, a. a. O., Rn. 51)

Konsequenzen für die Praxis / tl;dr

Erfüllt ein Unternehmer den mit dem Besteller geschlossenen Werkvertrag nur mangelhaft und beseitigt der Auftragnehmer die Mängel trotz Aufforderung und Fristsetzung durch den Auftraggeber nicht, hat der die Wahl, ob er das mangelhafte Werk behalten und Schadensersatz (statt der Leistung) verlangen möchte oder ob er die Mängel auf Kosten des Unternehmers selbst beseitigen (lassen) möchte.

Entscheidet er sich für den Schadensersatz statt der Leistung, muss die Höhe des Schadens bemessen werden, wofür der BGH zwei Möglichkeiten aufzeigt: 1. Vermögensbilanz (s. o. I. 1.) oder 2. durch Vergleich des mangelhaften mit dem mangelfreien Wert (s. o. I. 2.), wobei die vertraglich vereinbarte Vergütung den maximalen Wert des Werks indiziert.

Entscheidet der Besteller sich dagegen für eine Beseitigung der Mängel auf Kosten des Unternehmers, kann er im Hinblick darauf selbst dann noch einen Kostenvorschuss nach den §§ 634 Nr. 2,637 Abs. 3 BGB vom Unternehmer verlangen, wenn er sich ursprünglich anders entschieden und bereits Schadensersatz verlangt hatte. Entgegen der wohl herrschenden Auffassung in der Literatur steht § 281 Abs. 4 BGB dem nicht entgegen. Dem BGH kann insofern nur zugestimmt werden, denn nach dieser Vorschrift ist (nur) der „Anspruch auf die Leistung […] ausgeschlossen, sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat“ – allerdings verlangt der Besteller in Fällen wie dem vom BGH entschiedenen auch gar keine Leistung mehr, sondern einen Vorschuss auf die Kosten, die ihm voraussichtlich entstehen werden, wenn er die Leistung selbst ausführt oder von Dritten ausführen lässt.

Zusammenfassend betrachtet ein ebenso richtiges wie wichtiges Urteil, in dem der BGH zugleich in erfreulicher Deutlichkeit zwischen den primären (z. B. Vorschuss und Minderung) und sekundären (Schadensersatz) Mängelrechten des Bestellers unterscheidet, was praktisch nicht zuletzt im Hinblick auf § 640 Abs. 3 BGB (Verlust nicht bei Abnahme vorbehaltener primärer Mängelansprüche) von großer Bedeutung ist.

Dr. jur. Christian Behrens LL.M.

Dr. jur. Christian Behrens LL.M.

Rechtsanwalt und Notar

  • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
  • Notar mit dem Amtssitz in Uelzen
  • Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg
  • Mitglied der ARGE Baurecht im DAV und der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V.
  • Ehrenamtlicher Richter des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs (AGH) in Celle

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