Es handelt sich um einen in der Praxis häufig anzutreffenden Fall, dass ein Mieter mit der Zahlung von Mietzinsen in Rückstand gerät und das Mietverhältnis trotzdem über Jahre fortgeführt wird. Gerät der Mieter schließlich in die Insolvenz, besteht für einen Vermieter in einer solchen Fallkonstellation das Risiko, die seit der Krise, die regelmäßig an den Zeitpunkt der Verzögerung der Mietzinszahlungen geknüpft werden kann, geleisteten Zahlungen an die Insolvenzmasse erstatten zu müssen, wenn der Insolvenzverwalter die Anfechtung erklärt.

Ein solches Risiko kann einen Zeitraum von zehn Jahren betreffen, wobei nun eine Gesetzesänderung im Gespräch ist, nach der sich die Anfechtungsfrist in Fällen dieser Art auf vier Jahre verkürzen könnte. Zunächst wird es eine Frage des Einzelfalles sein, ob zum Zeitpunkt der unpünktlich gezahlten Mieten tatsächlich eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des Mieters vorlag und der Mieter spätere Mieten mit dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gezahlt hat. Darüber hinaus muss der Mieter Kenntnis von diesem Benachteiligungsvorsatz gehabt haben, wobei es genügt, dass er Umstände kennt, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen. Es genügt daher, dass der Vermieter die tatsächlichen Umstände kennt, aus denen bei zutreffender rechtlicher Bewertung die (drohende) Zahlungsunfähigkeit zweifelsfrei folgt.

In der Regel wird eine solche Kenntnis an der Gesamtwürdigung von Indizien festgestellt. Je mehr Aspekte dafür sprechen, dass sich der Mieter in der Krise befindet, desto größer ist das Anfechtungsrisiko. Solche Indizien können z.B. aus einer Korrespondenz gewonnen werden, in der der Mieter seine Liquiditätsprobleme ausführt, wiederholte schleppende Mietzinszahlungen, möglicherweise bereits erfolgte Kündigung des Mietverhältnisses oder Vollstreckungen wegen offenstehender Mieten etc.

Für den juristischen Laien ist es erstaunlich, dass der Mieter eine konkrete Gegenleistung durch Gewährung des Mietobjekts über Jahre erhält und trotzdem die geleisteten Zahlungen nicht insolvenzfest sein sollen. Diese Überlegung zollt normalerweise die Feststellung eines sogenannten Bargeschäfts Tribut. Der Schuldner handelt ausnahmsweise ohne Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er seine Leistung Zug-um-Zug gegen eine zur Fortführung seines Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im Allgemeinen nutzt. Die Anfechtbarkeit kann somit dann entfallen, wenn im unmittelbaren Zusammenhang mit der potenziell anfechtbaren Rechtshandlung (Zahlung) eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt. Ein solch wechselseitiger Leistungsaustausch muss jedoch innerhalb eines Zeitraums von längstens 30 Tagen stattfinden.

Diese vermeintlich beruhigende Grundsituation wird dem Vermieter jedoch zum Verhängnis, wenn nach eingetretener Krise Zahlungen des Mieters geleistet werden, ohne diese tatsächlich einem gewissen Mietmonat im 30-Tageszeitraum zuordnen zu können. In einer am 17.12.2015 verkündeten Entscheidung des BGH (Az.: IX ZR 61/14) lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Mieter mit erheblichen Mietzahlungen in Verzug geriet und dass Mietverhältnis über einem Zeitraum mehrerer Jahre fortgeführt wurde. Hierbei nahm der Mieter – nachdem Mietschulden entstanden waren – seine Zahlungen wieder in Höhe von Beträgen auf, die dem grundsätzlichen Mietzins entsprachen, jedoch ohne konkrete Tilgungsbestimmungen vorzunehmen. Da das Gesetz vorsieht, dass eine Zahlung ohne Tilgungsbestimmung auf die älteste Schuld geleistet wird, waren diese Zahlungen, unabhängig davon, ob sie scheinbar im 30-Tageszeitraum erfolgten, als solche auf die Altverbindlichkeiten des Mieters zu qualifizieren, sodass später geschuldete Mieten sich wie eine Bugwelle während des gesamten fortgeführten Mietverhältnisses auftürmten, mit dem Ergebnis, dass sämtliche geleitsteten Zahlungen angefochten werden konnten, ohne dass diese mit dem Einwand des sogenannten Bargeschäfts gerettet werden konnten. Der Vermieter musste die über Jahre hinweg eingenommenen Mieten an den Insolvenzverwalter erstatten.

Konsequenzen für die Praxis

Gerät ein Mieter mit Mietzinszahlungen in Verzug, sollte sich der Vermieter weder darauf verlassen, dass es sich nur um eine kurzzeitige Krise des Mieters handelt, noch ihm zu gegebener Zeit nicht nachgewiesen werden kann, welche Kenntnis er über die Situation seines Mieters hatte. Vielmehr muss der Vermieter die Initiative ergreifen. Die sicherste Alternative ist, die konsequente Beendigung des Mietverhältnisses. Sofern sich ein Vermieter aufgrund der schwierigen Vermietbarkeit oder einem emotionalen Engagement für den Mieter zu dieser drastischen Maßnahme nicht durchringen kann, so ist es zwingend erforderlich, dass er darauf achtet, dass weitere Mietzahlungen mit der konkreten Bestimmung in der jeweiligen Überweisung versehen sind, dass sie auf den jeweiligen Monat im 30-Tageszeitraum geleistet werden, sodass die Gefahr auszuschließen ist, dass es sich um Zahlungen auf die Altverbindlichkeiten handelt. Diese sind ggf. durch gesonderte Zahlungen mit separater Tilgungsbestimmung zu bedienen und alsdann nur noch in diesem Rahmen anfechtbar.

Nikolai Manke

Nikolai Manke

Rechtsanwälte Zimmermann & Manke

  • Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter
  • Fachanwalt für Arbeitsrecht
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Fachanwalt für Insolvenzrecht
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