Gemäß § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX (§ 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX a.F.) ist die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen bzw. die eines diesem Gleichgestellten formell unwirksam, wenn der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht beteiligt. Die Voraussetzungen einer solchen wirksamen Beteiligung werden seit dem Inkraft-treten der gesetzlichen Regelung am 30.12.2016 äußerst kontrovers diskutiert. Mit seiner Entscheidung vom 13.12.2018 (2 AZR 378/18) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) unter diversen Gesichtspunkten für Klarstellung gesorgt, die auch die seit dem 01.01.2018 geltende Fassung des Gesetzes erfasst.
Von der Unwirksamkeitsanordnung des § 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX sind sämtliche Beendigungs- und Änderungskündigungen erfasst, somit auch Kündigungen in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG, ohne dass es erforderlich ist, dass die Kündigung im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Daher hat das BAG sogar ausdrücklich klargestellt, dass auch Kündigungen im Zuge einer Massenentlassung aufgrund ei-ner vollständigen Betriebsstilllegung der Unwirksamkeitsdrohung unterliegen. Mit der zwingenden Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist allein auf die Unterrichtung und Anhörung abgestellt, hingegen nicht auf die Mitteilungspflicht.
Für die Beteiligung gelten die gleichen Grundsätze wie zur Anhörung des Betriebsrats gemäß § 102 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG. Der Arbeitgeber hört die Schwerbehindertenvertretung daher nur dann ordnungsgemäß an, wenn er sie ausreichend unterrichtet und ihr genügend Gelegenheit zur Stellungnahme gibt, ohne dass der Unterrichtungsinhalt auf schwerbehinderungsspezifische Kündigungsbezüge reduziert sein darf. Die Schwerbehindertenvertretung ist vielmehr mandatiert, die Interessen von Schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten behinderten Menschen umfas-send zu vertreten. Daher kann sie auch nicht behinderungsspezifische Einwände gegen eine beabsichtigte Kündigung erheben, weswegen der notwendige Inhalt der Unterrichtung nicht hinter demjenigen für die Anhörung des Betriebsrates zurückbleiben darf.
Die Anhörung muss jedoch nicht vor der Beteiligung des Betriebs- oder Personalrates oder der beantragten Zustimmung durch das Integrationsamt erfolgen. Die „rechtzeitige“ Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist nicht Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats. Vielmehr bestehen beide Verfahren gleichrangig nebeneinander.
Schließlich hat das BAG klargestellt, dass das Gesetz seit Einführung der Unwirksamkeitsfolge im Zusammenhang mit den Stellungnahmefristen eine planwidrige Regelungslücke enthält, die durch eine analoge Anwendung des § 102 Abs. 2 BetrVG zu schließen ist. Das hat zur Folge, dass die Schwerbehindertenvertretung etwaige Bedenken gegen eine beabsichtigte ordentliche Kündigung spätestens inner-halb einer Woche und solche gegen eine beabsichtigte außerordentliche Kündigung unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Tagen mitzuteilen hat. Einer ausdrücklichen Fristsetzung durch den Arbeitgeber bedarf es jedoch nicht.
Konsequenzen für die Praxis
Das Timing der Kündigung eines schwerbehinderten Menschen verlangt höchste Sorgfalt. Inhaltlich ist es geboten, die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung in derselben Form sicherzustellen, wie die des Betriebsrats. Da kein sinnvoller Aspekt einer unterschiedlichen Handhabung ersichtlich ist, könnte die Implementierung von Unterschieden das Risiko einer unzureichenden und damit unwirksamen Anhörung erhöhen.
Nikolai Manke
Rechtsanwälte Zimmermann & Manke
- Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter
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