Aufgrund einer weiteren Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 06.11.2018 (EUGH, ECLI:EU:C:2018:874 – Shimizu) hat das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2019 wichtige Entscheidungen getroffen, die zu erheblichen Kapitalisierungsrisiken für Arbeitgeber führen.
Der EuGH hat in seinem Urteil geklärt, dass ein Arbeitnehmer seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch nur deswegen verliert, weil er keinen Urlaub beantragt hat. Vielmehr müsse der Arbeitgeber dafür sorgen, dass der Arbeitnehmer in der Lage sei, den bezahlten Jahresurlaub zu nehmen und ihn hierzu unter Hinweis auf die Tatsache auffordern, dass der Urlaub ansonsten am Ende des Bezugs- bzw. Übertragungszeitraums verfällt. In den Entscheidungen vom 19.02.2019 (IX AZR 423/16) und 22.10.2019 (IX AZR 98/19) hat das BAG Arbeitnehmern dementsprechend erhebliche Urlaubsabgeltungsansprüche anlässlich der Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse zugesprochen, da die jeweiligen Arbeitgeber ihre vorstehend dargestellten Obliegenheiten nicht erfüllt haben.
Problematisch ist der Umstand, dass noch keine Rechtsklarheit darüber zu bestehen scheint, über welchen Zeitraum der Abgeltungsanspruch kumulieren kann, so dass sich Arbeitgeber mittlerweile mit der Geltendmachung von Ansprüchen konfrontiert sehen, die sich auf Jahre unzureichend gewährten Urlaubs stützen und zu dementsprechend hohen Forderungen führen.
Konsequenzen für die Praxis
Sofern ein Arbeitgeber das Risiko von erheblichen Urlaubsabgeltungs- oder Nachgewährungsansprüchen ausschließen möchte, wird er seinen Arbeitnehmern nachweisbar vor Augen führen müssen, welcher Urlaubsanspruch besteht und darauf hinweisen müssen, dass der Urlaub nach Ablauf des Bezugszeitraums verfällt und daher rechtzeitig zu nehmen ist. Kann ein Arbeitgeber nicht darlegen und beweisen, dass sein Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage von der tatsächlichen Inanspruchnahme des Urlaubs abgesehen hat und in der Lage war diesen zu nehmen, besteht das Risiko von Abgeltungsansprüchen.
Nikolai Manke
Rechtsanwälte Zimmermann & Manke
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