Problemstellung
Entdeckt ein Auftraggeber (z. B. Bauherr) erst kurz vor Ablauf der Gewährleistungsfrist einen Mangel des Werks, drohen seine Gewährleistungsansprüche zu verjähren. Kann der Unternehmer den Mangel nicht rechtzeitig vor Ablauf der Gewährleistungsfrist beseitigen oder kommt es über die Beseitigung des Mangels mit dem Auftragnehmer zum Streit, muss der Auftraggeber Maßnahmen ergreifen, will er eine Verjährung seiner Ansprüche verhindern.
Mögliche Maßnahmen
Der Auftraggeber könnte Klage erheben oder einen Antrag im selbständigen Beweisverfahren stellen, denn dadurch – wie z. B. auch durch die Zustellung eines Mahnbescheids – kann die Verjährung gehemmt werden (s. § 204 BGB).
Da eine lediglich zwecks Hemmung der Verjährung erhobene Klage das Verhältnis der Parteien möglicherweise unnötig belastet, kann der Auftragnehmer alternativ während der noch laufenden Gewährleistungsfrist eine Erklärung mit dem Inhalt abgeben, er werde auf die Einrede der Verjährung verzichten. Sollte er nicht von selbst auf die Idee kommen, kann der Auftraggeber ihn entsprechend auffordern.
Wirkung der Verzichtserklärung
Die Verjährungsverzichtserklärung hemmt die Verjährung der Gewährleistungsansprüche nach Ablauf der Gewährleistungsfrist nicht. Allerdings kann der Auftragnehmer die Einrede der Verjährung nicht erheben, solange seine Verzichtserklärung gilt, denn für diesen Zeitraum hat er durch seine Erklärung auf die Ausübung seines Leistungsverweigerungsrechts aus § 214 Abs. 1 BGB verzichtet.
Zeitliche Geltung der Verzichtserklärung
Doch Vorsicht: Begrenzt der Auftragnehmer seine Erklärung nicht zeitlich, gilt die für einen Zeitraum von 30 Jahren, denn dann gilt (immerhin, aber nur) noch die Höchstgrenze des § 202 Abs. 2 BGB. Im Einzelfall kann eine derart unbegrenzte Verzichtserklärung sehr teuer für den Erklärenden werden. Ein inzwischen rechtskräftiges (BGH, Beschluss v.25.10.2017, Az.: VII ZR 145/17) Urteil des OLG Celle vom 15.06.2017 (Az.: 6 U 2/17) zeigt das sehr anschaulich: In dem vom Gericht zu entscheidenden Fall stritten die Parteien über eine Vielzahl von Baumängeln, darunter ein mangelhaftes Wärmedämm-Verbundsystem (WDVS). Dem Streit zu Grunde lagen ein 1995 (!) geschlossener Bauvertrag über 1997/’98 abgenommene Leistungen und im Sommer 2002 angezeigte Mängel über die und deren Beseitigung die Parteien in der Folgezeit stritten. Im November erklärte die Auftragnehmerin, sie
„…verzichte bezüglich der Mängel an der Außenhaut des Wärmedämm-Verbundsystems (WDVS) […] bis zu deren endgültiger Abstellung auf die Einrede der Verjährung; …“
Ihre Erklärung begrenzte sie zeitlich nicht und konnte sich daher fast 20 Jahre nach Abnahme ihrer Werkleitungen noch immer nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Vielmehr verurteilte das Landgericht Lüneburg das Unternehmen zur Zahlung des für die Beseitigung der Mängel verlangten Kostenvorschusses in erheblicher Höhe. Das OLG bestätigte die Entscheidung im Wesentlichen, der BGH schließlich wies die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurück.
Konsequenzen für die Praxis
Die Abgabe einer Verjährungsverzichtserklärung kann im Einzelfall sehr sinnvoll sein, denn dadurch können mit Pech vor allem unnötige Kosten auslösende gerichtliche Maßnahmen zur Hemmung der Verjährung vermieden werden. Wie der vom OLG Celle entschiedene Fall aber sehr anschaulich zeigt, sollte eine Erklärung über den Verzicht auf die Einrede der Verjährung zwingend zeitlich begrenzt werden, denn andernfalls gilt die Erklärung für einen Zeitraum von 30 Jahren.
Die Länge des Zeitraums der Geltung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab: Geht es z. B. um die regelmäßig aufwändige Beseitigung von Baumängeln, sollte die Geltung der Verzichtserklärung auf sechs Monate, besser noch ein Jahr begrenzt werden.
Vorsorglich sollte der Besteller dem Auftragnehmer eine Frist zur Abgabe der Erklärung setzen, die noch deutlich vor Ablauf der Gewährleistungsfrist ablaufen muss, damit der Auftraggeber noch rechtzeitig verjährungshemmende Maßnahmen ergreifen kann, sollte die Verjährungsverzichtserklärung nicht abgegeben werden.
Dr. jur. Christian Behrens LL.M.
Rechtsanwalt und Notar
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
- Notar mit dem Amtssitz in Uelzen
- Schlichter für Baustreitigkeiten (SOBau)
- Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg
- Mitglied der ARGE Baurecht im DAV und der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V.
- Ehrenamtlicher Richter des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs (AGH) in Celle
Trackbacks/Pingbacks