Exkurs: Abzug "neu für alt"
Das Gericht erteilte dem Begehren der Beklagten nach einem Abzug neu für alt eine klare Absage, denn in dem zu entscheidenden Streitfall erhielt die Klägerin im Ergebnis zwar die Kosten für eine neue Fassade des streitgegenständlichen Gebäudes ersetzt – und das gute 20 Jahre nach Abnahme der ursprünglich ausgeführten Fassade. Die allerdings war mangelhaft, der Mangel 2002 entstanden und seit diesem Zeitpunkt musste die Klägerin mit dem mangelhaften Werk und vor allem den Folgen vorliebnehmen:
„Der Aufwand für die Mängelbeseitigung ist nicht aus dem Grunde zu kürzen, dass die Klägerin nach bald zwanzig Jahren Standzeit des Gebäudes eine neue Fassade erhält, deren Lebensdauer über diejenige der alten Fassade hinausgeht, auch wenn diese mangelfrei gewesen wäre. Diesem Vorteil steht der gleichwertige Nachteil gegenüber, dass die Klägerin seit der ersten Mängelrüge im Sommer 2002 mit der Fassade hat vorliebnehmen müssen, die zahlreiche Risse aufweist und von Niederschlagswasser angegriffen wird, weil die Beklagte ihrer Pflicht zur Nacherfüllung nicht nach gekommen ist.“
Ein Abzug „neu für alt“ ist regelmäßig dann – und nur dann – vorzunehmen, um eine Besserstellung des Geschädigten zu verhindern. Dieser Abzug kommt nicht mehr in Betracht, wenn dem ohne diesen Abzug den Geschädigten übermäßig kompensierenden Mehrwert („Vorteil“) andere, durch den Schaden entstandene Nachteile gegenüberstehen.
Konsequenzen für die Praxis
Wer zur Beseitigung von insbesondere Baumängeln verpflichtet ist, sollte nicht zu lange damit warten – sonst könnte es ihm ergehen wie der Beklagten in dem vom OLG Celle zu entscheidenden Fall: Hier bekam die Klägerin einen Vorschuss auf die Kosten für eine neuwertige Fassade zugesprochen, in voller Höhe, ohne den Abzug „neu für alt“, da wegen der erheblichen, durch die mangelhafte Leistung bedingten Nachteile selbst bei Ersatz der für eine neue Fassade anfallenden Kosten kein Vorteil mehr verblieb, der durch den Abzug auszugleichen gewesen wäre.
Dr. jur. Christian Behrens LL.M.
Rechtsanwalt und Notar
- Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
- Notar mit dem Amtssitz in Uelzen
- Schlichter für Baustreitigkeiten (SOBau)
- Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg
- Mitglied der ARGE Baurecht im DAV und der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V.
- Ehrenamtlicher Richter des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs (AGH) in Celle