Im Einzelfall kann der (Bau-)Unternehmer auf die Mitwirkung des Bestellers angewiesen sein, soll das Werk wie vertraglich vereinbart ausgeführt werden. Unterlässt der Besteller die erforderliche Mitwirkung und gerät dadurch in Annahmeverzug, kann der Unternehmer von ihm eine angemessene Entschädigung verlangen (s. § 642 Abs. 1 BGB).

In der Praxis stellt sich in derartigen Fällen die Frage, wann genau eine Entschädigung „angemessen“ ist. Damit hatte sich zuletzt der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 30.01.2020 (Az.: VII ZR 33/19) zu befassen.
In aller Kürze zusammengefasst dargestellt, erfordert diese Vorschrift – so der BGH –

„eine Abwägungsentscheidung des Tatrichters auf der Grundlage der in § 642 Abs. 2 BGB genannten Kriterien. Dabei ist die angemessene Entschädigung im Ausgangspunkt an den auf die unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel entfallenden Vergütungsanteilen einschließlich der Anteile für allgemeine Geschäftskosten sowie für Wagnis und Gewinn zu orientieren.“

Bis zu der Entscheidung des BGH war die Frage, welchen Inhalt der Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB hat, insbesondere wie er zu bemessen ist, nicht geklärt. Bislang hatte der VII. Senat (Bausenat) dazu lediglich ausgeführt, der Begriff „angemessene Entschädigung“ in § 642 Abs. 1 BGB mache deutlich, dass

„es sich bei dem Anspruch aus § 642 BGB nicht um einen umfassenden Schadensersatzanspruch handelt, sondern um einen verschuldensunabhängigen Anspruch sui generis , auf den die Vorschriften der §§ 249 ff. BGB zur Berechnung von Schadensersatz nicht anwendbar sind (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2017 – VII ZR 16/17 Rn. 27, BGHZ 216, 319; Urteil vom 24. Januar 2008 – VII ZR 280/05 Rn. 11, BGHZ 175, 118).“

Auf weitere Einzelheiten soll es hier nicht ankommen, insofern sei auf das lesenswerte Urteil des VII. Senats verwiesen. Im Ergebnis hat der BGH sehr anschaulich dargestellt, wie der Tatrichter die angemessene Entschädigung im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu bestimmen hat, dabei auf dessen Ermessensspielraum hingewiesen, der dem Gericht die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ermöglicht und schließlich die Möglichkeit des Tatrichters zur Schätzung (s. § 287 ZPO).

Das alles galt noch Ende Januar 2020. Angesichts der gegenwärtigen Corona-Pandemie stellt sich darüber hinaus die Frage nach deren Auswirkungen. So könnten von Vorunternehmern auszuführende Leistungen, die bedingt durch die Corona-Pandemie nicht erbracht werden, unterlassene Mitwirkungshandlungen des Auftraggebers begründen, zugleich dessen Annahmeverzug und damit letztlich Entschädigungsansprüche des Auftragnehmers auslösen.

Mit dieser und anderen bauvertraglichen Fragen zur Corona-Pandemie befasst sich der Erlass des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 23.03.2020 („Bauvertragliche Fragen in Bezug auf die Corona-Pandemie“).
Darin vertritt das BMI die Auffassung, die Corona-Pandemie sei

„grundsätzlich geeignet, den Tatbestand der höheren Gewalt im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. c VOB/B auszulösen. Höhere Gewalt ist ein unvorhersehbares, von außen einwirkendes Ereignis, das auch durch äußerste, nach der Sachlage zu erwartende Sorgfalt wirtschaftlich vertretbar nicht abgewendet werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit hinzunehmen ist. Das Vorliegen dieser strengen Voraussetzungen kann auch in der jetzigen Ausnahmesituation nicht pauschal angenommen werden, sondern muss im Einzelfall geprüft werden. Grundsätzlich muss derjenige, der sich darauf beruft, die die höhere Gewalt begründenden Umstände darlegen und ggf. beweisen. Beruft sich der Unternehmer also auf höhere Gewalt, müsste er darlegen, warum er seine Leistung nicht erbringen kann.“ (Erlass, S. 2 von 4)

Wegen weiterer Einzelheiten zu der Frage, wann die Auswirkungen der Corona-Pandemie den Tatbestand der „höheren Gewalt“ erfüllen können, sei auf den Erlass verwiesen, der über voranstehenden Link von der Internetseite des Ministeriums heruntergeladen werden kann.

Zu der oben aufgeworfenen Frage stellt das Ministerium jedenfalls fest, bei

„höherer Gewalt gerät auch der Auftraggeber nicht in Annahmeverzug; die Voraussetzungen des § 642 BGB liegen nicht vor (vgl. BGH, Urteil vom 20.4.2017 – VII ZR 194/13; die dortigen Ausführungen zu außergewöhnlich ungünstigen Witterungsverhältnisses sind nach hiesiger Ansicht – erst recht – auf eine Pandemie übertragbar). Das gilt insbesondere auch für Fallkonstellationen, in denen ein Vorgewerk aufgrund höherer Gewalt nicht rechtzeitig erbracht werden kann und nun das nachfolgende Gewerk deswegen Ansprüche wegen Behinderung gegen den Auftraggeber erhebt.“ (S. 3 von 4)

Diese Auffassung des Ministeriums wird in der Praxis kritisch gesehen, etwa von KREBS (IBR-Online: IBR 2020, 2531), da die voranstehend in Bezug genommenen Ausführungen des BGH zu außergewöhnlich ungünstigen Witterungsverhältnissen nicht pauschal – so aber das Ministerium – „erst recht – auf eine Pandemie übertragbar“ sind, denn in einem späteren Urteil vom 26.10.2017 (Az.: VII ZR 16/17) hatte sich der Bausenat des BGH erneut mit der Frage nach einer Entschädigung des Auftragnehmers gemäß § 642 BGB befasst. Dabei entschied der Senat (wie zuletzt), dass es sich bei dem Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB um einen verschuldensunabhängigen Anspruch eigener Art handelt. Voraussetzung – so das Gericht – ist (man möchte ergänzen: „lediglich“) eine erforderliche Mitwirkungshandlung des Bestellers bei der Herstellung des Werks. Mitwirkungshandlungen des Bestellers sind dabei in einem weiten Sinn zu verstehen und können sowohl in einem Tun als auch in einem Unterlassen bestehen. Maßgebend ist, dass ohne die Mitwirkung des Bestellers die Herstellung des Werks nicht erfolgen kann (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2017 – VII ZR 194/13, BauR 2017, 1361 Rn. 18 = NZBau 2017, 596). „Mitwirkungshandlung“ in diesem Sinne können u. a. von einem Vorunternehmer des Auftragnehmers auszuführende Leistungen sein.

Anders als der Schuldnerverzug setzt der im Rahmen des § 642 BGB relevante Annahmeverzug des Bestellers kein Verschulden voraus. Damit besteht im Gegensatz zum Schadensersatzanspruch auch keine Rechtfertigung, dem Unternehmer jedweden Nachteil zu ersetzen, der ihm aus dem Annahmeverzug des Bestellers entsteht (Sonntag, NZBau 2017, 525, 527; Sienz, BauR 2014, 390, 391). Das entspricht auch dem Sinn und Zweck des Entschädigungsanspruchs aus § 642 BGB, denn diese Vorschrift will dem Unternehmer eine angemessene Entschädigung dafür gewähren, dass er während des Annahmeverzugs des Bestellers infolge Unterlassens einer diesem obliegenden Mitwirkungshandlung Personal, Geräte und Kapital, also die Produktionsmittel zur Herstellung der Werkleistung, bereithält (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 – VII ZR 280/05, BGHZ 175, 118 Rn. 11; Urteil vom 7. Juli 1988 – VII ZR 179/87, BauR 1988, 739, 740).

Konsequenzen für die Praxis

Für den Auftraggeber / Bauherrn kann das im Ergebnis misslich sein, so sachgerecht es auch sein mag, denn unabhängig davon, aus welchen Gründen – und sei es eine Pandemie – der Vorunternehmer ausfällt, kann der Bauherr in Annahmeverzug geraten. Allerdings gerät er ggf. nicht automatisch in Annahmeverzug, denn der wiederum setzt die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft des (später eine Entschädigung nach § 642 BGB begehrenden) Auftragnehmers voraus. Fehlt es daran, etwa weil der Auftragnehmer selbst durch die Auswirkungen der Pandemie unabhängig von seinem Vorunternehmer an der Ausführung gehindert ist, liegt kein Annahmeverzug des Auftraggeber vor. Die Beweislast für die fehlende Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers allerdings obliegt dem Auftraggeber. Der Auftragnehmer sollte in derartigen Situationen die eigene Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft (Vorhaltung der Produktionsfaktoren) vorsorglich gut dokumentieren, um für einen etwaigen Streitfall gerüstet zu sein.

Das Ministerium schließlich weist in seinem Erlass weiter darauf hin, dass, der bloße Hinweis auf die Corona-Pandemie und eine rein vorsorgliche Arbeitseinstellung den Tatbestand der „höheren Gewalt“ aber nicht erfüllen. Ebenso bittet die Verfasserin (Min-Dir`n Christine Hammann, Abteilungsleiterin BW)

„um besonderes Augenmerk, falls der Auftragnehmer schon bei der bisherigen Leistungserbringung Schwierigkeiten hatte und sich nun auf die Corona-Pandemie beruft.“

Dem ist erst einmal nichts weiter hinzuzufügen – bleiben Sie gesund!

Dr. jur. Christian Behrens LL.M.

Dr. jur. Christian Behrens LL.M.

Rechtsanwalt und Notar

  • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
  • Notar mit dem Amtssitz in Uelzen
  • Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg
  • Mitglied der ARGE Baurecht im DAV und der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V.
  • Ehrenamtlicher Richter des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs (AGH) in Celle

Weitere Informationen (Vita u. a.)

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