Problemstellung

Ist der Mieter einer Wohnung ausgezogen, stellen Vermieter bei Rückgabe der Mietsache mitunter Schäden fest, die der Mieter noch auf seine eigenen Kosten beseitigen soll. Kommt es darüber zum Streit und beachtet der Vermieter die Verjährung seiner Ersatzansprüche gegen den Mieter wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache währenddessen nicht, kann es für eine spätere gerichtliche Durchsetzung tatsächlich zu spät sein, denn diese Ansprüche verjähren bereits nach sechs Monaten (s. § 548 Abs. 1 S. 1 BGB).

Kommt es über derartige Ansprüche zum Streit und erhebt der (evtl. bereits verklagte) Mieter (im Prozess) die Einrede der Verjährung, kommt es für die Beantwortung der Frage nach dem tatsächlichen Verjährungseintritt darauf an, ab wann genau die Verjährung begann. Hierfür stellt § 548 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Zeitpunkt ab, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält.

Doch wann genau erhält er sie zurück? Darüber lässt sich im Einzelfall trefflich streiten.

Hinweisbeschluss des Landgerichts Lüneburg

Das Tatbestandmerkmal des „Zurückerhaltens“ in § 548 BGB ist nicht gleichbedeutend mit der Rückgabe in § 546 BGB – soweit herrscht Einigkeit. Danach kann die Verjährung bereits dann beginnen, wenn der Mieter die Wohnung bzw. Mietsache noch nicht an den Vermieter zurückgegeben hat (im Sinne von § 546 BGB).

Einer Ansicht nach soll für das „Zurückerhalten“ bereits ein gemeinsamer Abnahmetermin von Mieter und Vermieter ausreichen, da er spätestens ab dem Termin Kenntnis vom aktuellen Zustand der Mietsache hatte. Diese – zu enge – Ansicht ist abzulehnen, da die bloße Kenntnis vom Zustand einer Wohnung nicht für deren Zurückerhalten ausreichen kann.

Dazu das Landgericht Lüneburg in einem (nicht veröffentlichten) Hinweisbeschluss vom 22.09.2015, Az.: 6 S 85/15:

„Mit dem Rückerhalt der Mietsache […] ist grundsätzlich der Zeitpunkt gemeint, in dem der Vermieter die unmittelbare Sachherrschaft (§ 854 BGB) über die Mietsache in einer Weise zurückerlangt, die ihm die Möglichkeit verschafft, Mängel der Sache frei und ungestört festzustellen, sodass er sich unschwer darüber Klarheit verschaffen kann, ob und welche Ersatzansprüche er gegebenenfalls gegen den Mieter wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache geltend machen kann und will (BGH NJW 2005, 2004; 2000, 3203). Hinzukommen muss noch, dass der Mieter nach diesem Zeitpunkt keine Möglichkeit mehr besitzt, auf die Sache einzuwirken, weil andernfalls die Feststellung des Zustandes der Sache durch den Vermieter letztlich ohne Bedeutung wäre. Abgestellt wird insbesondere auf die Rückgabe der Schlüssel an den Vermieter.“ (Hervorhebung vom Verf.)

Die Rechtsprechung nimmt den Beginn der Verjährung zum Teil bereits dann an, wenn der Mieter (noch) nicht alle Schlüssel an den Vermieter zurückgegeben hat, allerdings muss der Mieter trotz Nichtrückgabe aller Schlüssel die Sachherrschaft über die Mietsache endgültig und für den Vermieter erkennbar aufgegeben haben. Auch soll unerheblich sein, wenn der Mieter die Wohnungsschlüssel noch einmal zurück erhält, z. B. für Renovierungsarbeiten (s. LG Aachen, Urteil v. 18.03.1987, Az.: 7 S 309/86).

Anders verhielt es sich in dem vorliegend vom Landgericht Lüneburg zu entscheidenden Fall, denn anlässlich des (ersten) Abnahmetermins hatte der Mieter dem Vermieter noch gar keinen der zu der von ihm gemieteten Wohnung gehörenden Schlüssel zurückgegeben. Dadurch konnte der Vermieter noch nicht die unmittelbare Sachherrschaft über die Mietsache erlangen und sie damit auch noch nicht i. S. v. § 548 BGB zurück erhalten. Damit waren die Voraussetzungen für den Beginn der Verjährung noch nicht erfüllt. Dazu noch einmal das Landgericht Lüneburg:

„Vorliegend ist die unmittelbare Sachherrschaft im Rahmen der ersten Wohnungsbegehung […] zu keinem Zeitpunkt auf die Klägerin […] übergegangen. Die Beklagte hatte die Wohnung zwar vollständig geräumt und war bereits ausgezogen. Durch das Behalten der Wohnungsschlüssel hatte sie jedoch weiterhin die unmittelbare Sachherrschaft über die Wohnung, wohingegen die Klägerin keine Möglichkeit hatte, ungestört – also ohne Beisein der Beklagten – die Wohnung auf Mängel zu untersuchen. Ein Rückerhalt der Wohnung ist daher mit der Abnahme und Schlüsselübergabe […] erfolgt.“

Ein Rückerhalt der Wohnung ist daher erst bzw. frühestens mit der Abnahme und Schlüsselübergabe erfolgt (ist man geneigt zu ergänzen) und nicht bereits mit dem ersten gemeinsamen Besichtigungstermin, obwohl beide Parteien den als „Abnahmetermin“ bezeichnet hatten, worauf es vorliegend aber nicht ankam.

Konsequenzen für die Praxis / tl;dr[1]

Vermieter aufgepasst: Ersatzansprüche gegen den Mieter wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren bereits nach sechs Monaten (s. § 548 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Verjährung beginnt mit dem Zurückerhalten der Mietsache, für das wiederum die Rückgabe eines zu ihr gehörenden Schlüssels ausreichen kann. Drohen die Ersatzansprüche während eines außergerichtlich über sie geführten Streits der Parteien zu verjähren, sollten rechtzeitig verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen werden.


[1] Die Abkürzung tl;dr steht für „too long; didn‘t read“ und wurde ursprünglich in Kommentaren unter sehr langen Texten genutzt. Mittlerweile nutzen Autoren sie, um Zusammenfassungen ihrer Texte in einer Kurzform anzubieten, s. http://phaenomeme.sueddeutsche.de/post/68249183426/die-abk%C3%BCrzung-tldr-steht-f%C3%BCr-too-long-didnt.

Dr. jur. Christian Behrens LL.M.

Dr. jur. Christian Behrens LL.M.

Rechtsanwalt und Notar

  • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
  • Notar mit dem Amtssitz in Uelzen
  • Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg
  • Mitglied der ARGE Baurecht im DAV und der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V.
  • Ehrenamtlicher Richter des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs (AGH) in Celle

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