Seit dem 17.08.2015 gilt die europäische Erbrechtsverordnung (EU-ErbVO). Sie gilt für Erbfälle ab dem 17.08.2015: Maßgeblich für das anzuwendende Erbrecht ist nicht mehr die Staatsangehörigkeit des Erblassers, sondern das Recht, das an dem Ort gilt, wo der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Das betrifft nicht nur die Rentner, die ihren Lebensabend in Spanien, Frankreich oder auf den Balearen verbringen, sondern auch Berufspendler, Wanderarbeiter, u. U. abgeordnete Diplomaten, Soldaten und Auslandsstudenten (beachte aber Artikel 21 Abs. 2 (EU-ErbVO). Die Auswirkungen ausländischen Rechts auf die Erbfolge und/oder testamentarische Regelungen sind zum Teil gravierend. Ehegatten werden z. B. nach spanischem Erbrecht deutlich schlechter gestellt, als nach deutschem Recht. Ohne testamentarische Regelung steht dem Ehegatten nur ein Nießbrauch an einem Drittel der Erbschaft zu. Kinder erhalten als Pflichtteil 2/3 der Erbschaft. Im spanischen Recht erhält der Ehegatte daneben regelmäßig immerhin ½ des gemeinschaftlichen Ehevermögens. Das ist aber bei Deutschen, die nach deutschem Recht geheiratet haben, nicht der Fall. Sie stehen daher sogar schlechter als Spanier. Berliner Testamente, die nach dem 17.08.2015 errichtet worden sind gelten in Spanien als unwirksam.

Die Beratungspraxis geht dahin, von der Rechtswahlmöglichkeit des Artikels 22 EU-ErbVO Gebrauch zu machen. Eine Person kann für die Rechtsnachfolge von Todeswegen das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört. Deutsche Notare und Anwälte empfehlen in der Regel in Testamenten eine Rechtswahl zugunsten des Rechtes der Bundesrepublik Deutschland zu treffen. Damit wird Unwägbarkeiten im zivilrechtlichen Bereich vorgebeugt. Bei der Beratung wird häufig übersehen, dass die EU-ErbVO nicht für Steuer- und Zollsachen sowie für verwaltungsrechtliche Angelegenheiten gilt. Für das anzuwendende Recht regelt der neue Artikel 21 EU-ErbVO, dass die gesamte Rechtsnachfolge von Todeswegen dem (Steuer-)Recht des Staates unterliegt, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Die Folgen sind höchst unterschiedlich.

Hatte der Erblasser seinen Wohnsitz z.B. in der Schweiz oder in Österreich, kann die Erbschaft nach ausländischem Steuerrecht steuerfrei anfallen. Kommt französisches Erbschaftssteuerrecht zum Ansatz, sind Steuerrechtsätze bis 60 % keine Seltenheit.

Hat der Erbe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den Bundesrepublik Deutschland, hat er die Erbschaft in jedem Fall nach deutschem Steuerrecht zu versteuern. Die Anrechnungsmöglichkeit nach dem deutsch-französischen Doppelbesteuerungsabkommen (Artikel 5, 6, 7 und 8 bzw. § 21 Erbschaftssteuergesetz) führen nur zur Anrechnung der im Ausland geleisteten Steuern. Zuerst ist die ausländische Steuer in voller Höhe abzuführen. Vererbt bspw. die in Frankreich lebende Erbtante 1.000.000,00 € an die in Deutschland lebende angeheiratete Nichte bleiben von einer Erbschaft von ursprünglich 1.000.000,00 € kaum 400.000,00 € übrig. Die Anrechnungsmöglichkeit kann nur dazu führen, dass in Deutschland keine Erbschaftsteuern mehr abzuführen sind.

Konsequenz für die Praxis

Die Beratungspraxis kann sich nicht auf die reine Erbrechtswahl gem. Artikel 22 Abs. 2. EU-ErbVO beschränken. Sie muss auch die vorhersehbaren erbschaftssteuerlichen Aspekte berücksichtigen.

Johannes Zimmermann

Johannes Zimmermann

Rechtsanwälte Zimmermann & Manke

  • Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter
  • Fachanwalt für Erbrecht
  • Fachanwalt für Insolvenzrecht
  • Fachanwalt für Steuerrecht
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