OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.04.2018 (Az.: 4 U 15/18)

Um einem alten Missverständnis gleich vorzubeugen: Eltern haften nie für ihre Kinder, denn niemand haftet für einen anderen, sondern immer nur für sich selbst, zum Beispiel nach der Verletzung von Sorgfalts- oder Aufsichtspflichten. Und das ist nun nicht etwa Wortklauberei, sondern hat erhebliche

Konsequenzen für die Praxis

Verursacht – wie hier – ein dreijähriges und damit nicht deliktsfähiges Kind (s. § 828 Abs. 1 BGB) einen erheblichen Sachschaden, haftet es selbst nicht. Dem Geschädigten bleibt dann nur, die Eltern des Kindes oder sonst zu dessen Beaufsichtigung Verpflichtete in Anspruch zu nehmen. Dafür muss denen aber eine Verletzung von z. B. Aufsichtspflichten nachgewiesen werden – und die Hürde will erst einmal genommen werden.

Mit Beschluss vom 26.04.2018 (Az.: 4 U 15/18) befasste sich der 4. Zivilsenat des OLG Düsseldorf ausführlich mit diesen Fragen, nachdem ein dreijähriger Junge, allerdings nicht zuletzt durch eine Verkettung ungünstiger Umstände einen erheblichen Wasserschaden verursacht hatte. Der Kleine hatte selbständig die Toilette besucht, dabei wohl etwas mehr Papier als erforderlich benutzt und dadurch zunächst das  WC verstopft. Für sich betrachtet noch unproblematisch, kam allerdings ein defekter Spülknopf hinzu: Der war verhakt, was zu ununterbrochen nachlaufendem Wasser führte, wurde der Knopf nicht in bestimmter Weise bedient (was von dem Kind nicht erwartet und verlangt werden konnte).

Für den weiteren Ver- bzw. Überlauf bedarf es keiner übergroßen Fantasie mehr. Im Ergebnis allerdings verneinte das Gericht einen Verstoß der Mutter gegen ihre Aufsichtspflicht (vgl. § 832 BGB), die vielmehr ihrer Aufsichtspflicht im Sinne von § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB noch genügt hatte – dazu das OLG:

„Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht über Minderjährige nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes, wobei sich die Grenze der erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen danach richtet, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation tun müssen, um Schädigungen Dritter durch ihr Kind zu verhindern. Dabei kommt es für die Haftung nach § 832 BGB stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles genügt worden ist. Entscheidend ist also nicht, ob der Erziehungsberechtigte allgemein seiner Aufsichtspflicht genügt hat; entscheidend ist vielmehr, ob dies im konkreten Fall und in Bezug auf die zur widerrechtlichen Schadenszufügung führenden Umstände geschehen ist (BGH, Urteil vom 24. März 2009 – VI ZR 199/08 –, Rn. 8, juris m.w.N.) Absolute Sicherheit ist dabei auch im Rahmen des § 832 nicht gefordert; insbesondere ist eine lückenlose Überwachung dann nicht erforderlich, wenn sie eine vernünftige Entwicklung des Kindes, insbesondere der Lernprozess im Umgang mit Gefahren, hemmen würde (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 13, juris).

In einer geschlossenen Wohnung müssen 3-jährige Kinder bereits nicht mehr unter ständiger Beobachtung stehen. Kindern in diesem Alter ist mit Blick auf die persönliche Entfaltung und Entwicklung die Gelegenheit zu geben, sich selbst zu beschäftigen. Auch der Gang zur Toilette bedarf mangels erhöhter Gefahrenlage keiner unmittelbaren Aufsicht mehr. Ausreichend ist es deshalb, wenn sich der Aufsichtspflichtige in Hörweite aufhält.

[…]

Hier kann der Senat zugunsten der Klägerin unterstellen, dass T. nicht kurz vor dem Einschlafen war, als sich seine Mutter von seinem Bett entfernte. Dennoch musste sie nicht in kurzfristigen Intervallen den Einschlafvorgang ihres Sohnes überwachen und sicherstellen, dass T. keine Schäden verursachte. Insbesondere musste sie auch nicht sicherstellen, dass T. nicht alleine zur Toilette ging. Den Mitgliedern des Senats ist aus ihrer eigenen Erfahrung als Eltern mehrerer Kinder gerichtsbekannt, dass es der persönlichen Entwicklung eines Kindes dienlich ist, wenn es im Alter von dreieinhalb Jahren alleine einschlafen kann, ohne dass dies ständig kontrolliert wird. Ebenso ist es sinnvoll, das Kind auch in diesem Alter alleine zur Toilette gehen zu lassen. Üblicherweise ist dies Kindern in diesem Alter auch möglich, ohne Schäden zu verursachen.“

(Fundstelle: https://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/duesseldorf/j2018/4_U_15_18_Beschluss_20180426.html)

Dem ist nicht mehr viel hinzuzufügen, zumal – im Hinblick auf den letzten Satz – tatsächlich die „ungünstigen Umstände“, vor allem der defekte Spülknopf hinzukamen, ohne den sich der Schaden hier – so überhaupt entstanden – in Grenzen gehalten hätte.

Eine angesichts der allgemeinen Ausführungen des Gerichts zur Aufsichtspflicht von Eltern sehr interessante Entscheidung, die anschaulich aufzeigt, dass immer die Umstände des Einzelfalls zu betrachten sind, um klären zu können, ob Aufsichtspflichtige wegen Verletzung ihrer Pflicht haften müssen oder nicht.

Dr. jur. Christian Behrens LL.M.

Dr. jur. Christian Behrens LL.M.

Rechtsanwalt und Notar

  • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
  • Notar mit dem Amtssitz in Uelzen
  • Schlichter für Baustreitigkeiten
  • Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg
  • Mitglied der ARGE Baurecht im DAV und der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V.
  • Ehrenamtlicher Richter des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs (AGH) in Celle

Weitere Informationen (Vita u. a.)

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