In seinem bereits an anderer Stelle dargestellten Urteil vom 15.06.2017 (Az.: 6 U 2/17) hatte sich das OLG Celle mit dem Einwand der Beklagten, von dem eingeklagten Kostenvorschuss sei ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen, auseinanderzusetzen.
Exkurs: Abzug "neu für alt"
Der Grundsatz „Abzug neu für alt“ kommt immer dann zum Tragen, wenn eine gebrauchte Sache zerstört wird: Dem Geschädigten ist der ihm entstandene Schaden zu ersetzen – allerdings soll er nicht besser gestellt werden als wäre der Schaden nie entstanden (denn dann hätte er unverändert eine bereits gebrauchte und entsprechend im Wert geminderte Sache). Das folgt letztlich unmittelbar aus § 249 Abs. 1 BGB, denn nach dieser Vorschrift ist der „Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre“ – aber eben auch nicht mehr, daher der Abzug „neu für alt“, werden bereits gebrauchte Sachen zerstört und sind zu ersetzen.
Von dem Grundsatz gibt es allerdings verschiedene Ausnahmen. Mit einer von ihnen hatte das OLG Celle sich zu befassen.

Das Gericht erteilte dem Begehren der Beklagten nach einem Abzug neu für alt eine klare Absage, denn in dem zu entscheidenden Streitfall erhielt die Klägerin im Ergebnis zwar die Kosten für eine neue Fassade des streitgegenständlichen Gebäudes ersetzt – und das gute 20 Jahre nach Abnahme der ursprünglich ausgeführten Fassade. Die allerdings war mangelhaft, der Mangel 2002 entstanden und seit diesem Zeitpunkt musste die Klägerin mit dem mangelhaften Werk und vor allem den Folgen vorliebnehmen:

„Der Aufwand für die Mängelbeseitigung ist nicht aus dem Grunde zu kürzen, dass die Klägerin nach bald zwanzig Jahren Standzeit des Gebäudes eine neue Fassade erhält, deren Lebensdauer über diejenige der alten Fassade hinausgeht, auch wenn diese mangelfrei gewesen wäre. Diesem Vorteil steht der gleichwertige Nachteil gegenüber, dass die Klägerin seit der ersten Mängelrüge im Sommer 2002 mit der Fassade hat vorliebnehmen müssen, die zahlreiche Risse aufweist und von Niederschlagswasser angegriffen wird, weil die Beklagte ihrer Pflicht zur Nacherfüllung nicht nach gekommen ist.“

Ein Abzug „neu für alt“ ist regelmäßig dann – und nur dann – vorzunehmen, um eine Besserstellung des Geschädigten zu verhindern. Dieser Abzug kommt nicht mehr in Betracht, wenn dem ohne diesen Abzug den Geschädigten übermäßig kompensierenden Mehrwert („Vorteil“) andere, durch den Schaden entstandene Nachteile gegenüberstehen.

Konsequenzen für die Praxis

Wer zur Beseitigung von insbesondere Baumängeln verpflichtet ist, sollte nicht zu lange damit warten – sonst könnte es ihm ergehen wie der Beklagten in dem vom OLG Celle zu entscheidenden Fall: Hier bekam die Klägerin einen Vorschuss auf die Kosten für eine neuwertige Fassade zugesprochen, in voller Höhe, ohne den Abzug „neu für alt“, da wegen der erheblichen, durch die mangelhafte Leistung bedingten Nachteile selbst bei Ersatz der für eine neue Fassade anfallenden Kosten kein Vorteil mehr verblieb, der durch den Abzug auszugleichen gewesen wäre.

Dr. jur. Christian Behrens LL.M.

Dr. jur. Christian Behrens LL.M.

Rechtsanwalt und Notar

  • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
  • Notar mit dem Amtssitz in Uelzen
  • Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg
  • Mitglied der ARGE Baurecht im DAV und der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V.
  • Ehrenamtlicher Richter des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs (AGH) in Celle

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